Stroh im Haus
„Das sieht eigentlich ganz normal aus!“ denkt man sich. Und der Architekt erklärt: Stroh ist, wenn lokal verfügbar, ein idealer Dämmstoff.
Strohballen können auf der Baustelle oder beim Zimmermann eingebaut werden. Beides hat seine Vor- und Nachteile, auf die hier einzugehen, den Rahmen sprengen würde. Sicher ist jedoch, dass der Einbau der Ballen durch den Zimmermann teuer ist. Also besser selber machen.
Eine zukunftsfähige Variante ist der maschinelle Einbau von gehäckseltem Stroh. Dieser erfolgt unter gleichbleibenden Bedingungen, ist also sicher und wirtschaftlich konkurrenzfähig zu anderen Dämmstoffen. Stroh ist ja ein Material, das in der Landwirtschaft anfällt, also auf jeden Fall ohne Energieaufwand zur Verfügung steht. Es braucht keine zusätzlichen Maßnahmen, um als Dämmstoff eingesetzt werden zu können.
Zu beachten ist aber, dass Restkornanteil, Dichte und Feuchte den Kriterien des ASBN entsprechen, bzw. die Strohballen ein gültiges Produktzertifikat aufweisen. Dieses ist z. B. Voraussetzung für die Erlangung von Wohnbaufördermitteln.
Aber zurück zum ersten Weinviertler Strohballen-Passivhaus. Hier wurden die Strohballen in Containern angeliefert, und von den Zimmerleuten in Boden, Wänden, Decke und Dach eingebaut. Für mich als Architekt war es ein wunderschönes Erlebnis, inmitten des vielen Strohs zu stehen. Die goldgelbe Farbe, der angenehme Geruch, die Weichheit des Materials, schufen eine wohlige Atmosphäre, obwohl rundherum gearbeitet wurde. Die Zimmerer schwitzten gewaltig, als sie die großen Ballen bis auf das Dach wuchten mussten. Aber dafür gab es kein Jucken, keine Krebsgefahr und kaum Abfall, weil alles verwendet werden konnte. Kein Vergleich zu den Unmengen an Verpackung und Rest, der bei Einsatz von Styropor etc. anfällt.
Ein wesentlicher Unterschied von Stroh zu anderen Dämmstoffen ist das wesentlich höhere Gewicht. Mit durchschnittlich 100kg/m³ beträgt die Dichte etwa das Doppelte gegenüber allen anderen Dämmstoffen. Dieses hohe Gewicht sorgt für eine höhere Wärmespeicherung, die sich im Sommer positiv bemerkbar macht.
Das Haus sieht von außen aus, wie ein Hakenhofhaus, wie es früher im Weinviertel Tradition war. Wären da nicht gewisse individuelle Eigenheiten. Der glasgedeckte Laubengang, die fast nicht sichtbaren Fotovoltaikpaneele, die großen Fenster mit regionaltypischen grünen Rahmen. Innen ist die Überraschung groß, wenn man bemerkt, dass hier alles schief ist. Alle Zwischenwände stehen 12 Grad schräg zu den Außenwänden, und sorgen so für ein fließendes Raumkontinuum. Gänge weiten sich horizontal und vertikal über Galerien. Zimmer nutzen den Dachraum vollständig aus, sogar das WC ist trotz seiner Lage in der Mitte über eine Glasdecke mit Tageslicht versorgt. Von jedem Platz im Haus hat man einen bewusst gewählten Blick ins Freie, sogar von der Badewanne aus.
Es wurde beim Bau darauf geachtet, dass nur ökologisch und baubiologisch einwandfreie Materialien zum Einsatz kommen. Die Wände wurden mit baubiologisch zertifiziertem Kalkputz versehen. Nassräume wurden mit einem fußwarmen und sehr angenehm zu begehenden PUR-Belag versehen, der leicht repariert werden kann, und so langfristig eine schöne Lösung darstellt. Der Fußbodenaufbau bestand aus geöltem Eichenparkett auf einem trockenen Unterbau mit gebundener Perlitschüttung.
Trotz der ungünstigen L-Form der Gebäudehülle erreichte das Haus sowohl die Einstufung als Passivhaus nach der Wohnbauförderung NÖ als auch nach den Kriterien der IG Passivhaus. Eine mechanische Komfortlüftung sorgt für beste Luftverhältnisse bei gleichzeitiger 85%iger Energierückgewinnung. Für behagliche 22°C Raumtemperatur sorgt eine Solewärmepumpe mit 220m² Solewärmetauscher und etwa 100m² Fußboden- und Wandheizflächen. Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und für WC-Spülung sowie Gartenbewässerung genutzt.
Die Strohbauinterssierten verließen frohen Mutes die glücklichen Bewohner des Hauses, sahen sie doch, dass Bauen mit Stroh eine rundum sinnvolle Sache ist. Aber sie sahen auch, dass, um Stroh richtig einzusetzen, es notwendig ist, sich vorher gründlich den Kopf zu zerbrechen. Die baubio-Partner des Strohballenbaunetzwerks sind die richtigen Ansprechpartner für jedes Bauvorhaben mit Köpfchen.
Architekt DI Heinrich Schuller
ATOS Architekten