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Wir brauchen smarte Architektur

„Zukunftsforscher propagieren gerne geänderte Wohnbedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Ich sehe das nicht. Immer noch dienen die eigenen 4 Wände dem Rückzug von der stressigen Außenwelt, als sicherer Hort des innersten privaten Lebenskreises. Was soll sich daran ändern? Heinrich Schuller macht sich für uns Gedanken über einen Modebegriff und dessen bauliche Konsequenzen.

Zukunftsforscher propagieren gerne geänderte Wohnbedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Ich sehe das nicht. Immer noch dienen die eigenen vier Wände dem Rückzug von der stressigen Außenwelt als sicherer Hort des innersten privaten Lebenskreises. Was soll sich daran ändern? Leistbares Wohnen auf 30 m2, mobile Tinyhomes oder Smart Living, also betreutes Wohnen für Singles, sind die hilflosen Reaktionen auf die sich rasch ändernde Gesellschaft. Keine dieser neuen durch den Ort getriebenen Säue, ist auf Langfristigkeit angelegt. Die geplante Obsoleszenz von Bauten betragt heute nur mehr 10 bis 30 Jahre. Danach sind sie entweder technisch veraltet oder so unansehnlich, dass außer Abreisen keine Alternative bleibt. IKEA sei Dank haben wir uns ja daran gewohnt, dass nichts Materielles Wert ist, gehegt und gepflegt zu werden. Wenn es nicht mehr ins Lebenskonzept passt, schmeißen wir es einfach weg. Bei den alten Gebäuden, von denen es immer weniger gibt, befällt uns zumindest das vage Gefühl, dass da etwas Unwiederbringliches verloren geht.

Sehnsucht nach Identität

Mit dem Verlust der gewachsenen Baustrukturen geht auch die Vielfalt verloren. Städte werden einander weltweit immer ähnlicher, austauschbarer. Mit Ausnahme der malerisch pittoresken Innenstädte, die wir im Urlaub aufsuchen, deren engen Gassen wir fasziniert durchschlendern, an deren mittelalterlichen Platzen wir Cappuccino genießen und dieses der ganzen Welt live mitteilen, bestehen Städte zu 90% aus hässlichen Wohnvierteln und einer wuchernden Gewerbe- und Stadtautobahn- Peripherie, die wir maximal auf dem schnellen Weg vom Flughafen in die Stadt angewidert wahrnehmen. Gabe es die touristisch gehypten Altstadtviertel nicht, wurde uns nicht einfallen, in eine dieser Städte extra hinzufahren. Moderne Architektur ist nicht schon. Moderne Architektur ist selten ökologisch, vielmehr eine völlig aberwitzige Ansammlung von Sondermull und Giftstoffen, ganz im Gegensatz zur Architektur bis vor 70 Jahren. Moderne Architektur ist nicht einmal sozial. Die zunehmende Vereinsamung in Stadt und Dorf ist ja offensichtlich, sonst wurden Coworking-Spaces, diese unverbindlichen „drive in“-Nomadentreffpunkte, nicht so boomen. Wenn man „Funktionalität“ als Summe aller Eigenschaften von Architektur sieht, ist die moderne Architektur nicht einmal das. Trotz aller Erfolge in Hinblick auf Energieeffizienz und Komfort fühlen sich die Menschen in den modernen Architekturen nicht wohl. Ich kann zwar jetzt smart die Heizung von unterwegs steuern, und spare damit 1% meiner Heizkosten, dafür muss ich aber auf ein kleines Display glotzen, während das Leben an mir vorüberrauscht.

Von Lowtech zu Smart Building

 Als Reaktion auf diesen Technik-Overkill wird „Lowtech“ propagiert: Einfacher bauen, ohne Wohnkomfort und Architektur einzuschränken. Für manche darf nicht einmal Kleber oder Metall drin sein. Ein wenig wie „back to the roots“ fühlt sich das schon an. Heute können wir Gebäude bauen, die alleine mit der Kraft der Sonne behaglich gehalten werden. Möglich wurde das durch „smarte Technik“, das intelligente Zusammenspiel von Gebäudehülle und Haustechnik. Sieht man sich die Zahlen der Statistik Austria an, sieht man, dass eine spürbare Verringerung des Heizwärmebedarfs von Wohngebäuden in den vergangenen 25 Jahren nur zur Hochzeit des Passivhauses zwischen 2000 und 2010 zu verzeichnen war. Die Technik des Passivhauses ist simpel, entscheidend ist die Qualität der Gebäudehülle. Der Klimawandel schwebt wie ein Damoklesschwert über uns und es heißt, wir müssen noch effizienter werden. Sieht man sich an, was Energieeffizienz in den letzten 20 Jahren gebracht hat, stellt man fest: nichts. Die Energieeffizienz hat sich zwar deutlich verbessert, gleichzeitig ist die Wohnflache pro Person deutlich gestiegen: Reboundeffekt. Leistbares Bauen – also schlechter und kleiner bauen, um die Kosten zu halten? Dieser Schuss geht nach hinten los. Die Menschen werden in ihren Behausungen nicht glücklicher, infolgedessen werden sie vermehrt fluchten und konsumieren: Reboundeffekt. Eine bessere, smarte Architektur wurde sehr wohl etwas bringen. Eine Architektur, die zwanglos soziales Leben ermöglicht, die nutzbare Freiraume vorsieht, die behaglich und gesund ist, die abwechslungsreich und individuell ist. Die Menschen wurden sich wohlfühlen und gesunder sein, ihr Lebensumfeld schätzen, erhalten und pflegen, gerne arbeiten und sich in der Gesellschaft einbringen. Das wäre leistbares „Bauen für die Zukunft“.

Architektur kann nicht alle Probleme lösen

Die inhärente Ungerechtigkeit des freien Kapitalismus, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, kann nur durch eine andere Wirtschaft beseitigt werden. Seit vielen Jahren wird propagiert, wie nachhaltiges Bauen auszusehen hatte. Wir wissen, wie es geht, aber es passiert nur im kleinen Rahmen, weil unser Wirtschaftssystem unökologisches und unethisches Verhalten belohnt. Es kann doch nicht sein, dass eine ungezügelte Wirtschaft Produkte und Dienstleistungen auf den Markt wirft, damit endlos Gewinne erwirtschaftet und die Gesellschaft die Folgekosten zu tragen hat? Das ist schlicht ungerecht und unwirtschaftlich und keinesfalls nachhaltig!

Foto Projekt Baumhaus statt Dachboden : Michael Markl