„Ich lebe in der Ordination, deshalb will ich mich hier wohlfühlen.“ Die Praxis in Kritzendorf ist nicht zuletzt aufgrund Ihrer innovativen Techniken zu klein geworden. Die Erweiterung nach oben wird ökologisch in Holz gebaut.
Natürlich wirkt am besten
Wer geht schon gerne zum Zahnarzt? Man liegt auf dem Marterstuhl und hofft, dass der Zahnarzt weiß, was er tut. Jetzt wäre etwas Beruhigung oder zumindest Ablenkung gut. In der umgebauten und erweiterten Ordination in Kritzendorf übernimmt diese Aufgabe die Architektur.
Von Beginn an war der Wunsch des Zahnarztes, mit möglichst natürlichen Materialien zu arbeiten und diese auch zu zeigen. „Ich lebe in der Ordination. Dann will ich mich auch hier wohlfühlen.“ So blickt der Patient nun auf eine, mit Lehm gespachtelte Decke, die von einer heißen Dünenlandschaft träumen lässt. Oder man verliert sich in der Holzmaserung der hell lasierten Wandverkleidung. Selbstverständlich kam für den Boden auch nur Holz in Frage, obwohl es billigere und leichter zu reinigende Beläge gäbe. Das Ziel, ein Wohlfühlklima für die Mitarbeiter und die Patienten zu schaffen, war also der Auftrag an ATOS.
Auch wenn wir es selbst spüren, schadet es nicht, wissenschaftlich nachgewiesen zu bekommen, dass Holz eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den Menschen hat. Prof. Dr. Maximilian Moser vom Institut für Physiologie der Medizinischen Universität Graz und vom Joanneum Research Weiz liefert dazu den Beweis.
In der von ihm durchgeführten Studie wurden in einer Hauptschule zwei Klassen normal und zwei Klassen mit überwiegender Holzausstattung ausgestattet und die Kinder mittels Langzeit-EKGs und Fragebögen untersucht. Die verblüffendsten Unterschiede gab es in der Herzfrequenz (Belastungsindikator) und dem Vagustonus (Erholungsindikator). Es zeigte sich, dass die Schüler der Holzklassen im Laufe des Tages weniger Herzschläge benötigten und eine deutlich höhere Vagusaktivität aufwiesen. Auch langfristig zeigte sich in den Holzklassen ein signifikanter Abfall der Herzfrequenz bis unter das Ferienniveau und gleichzeitiger deutlicher Anstieg des Vagustonus über das Schuljahr, während in den Normalklassen das Gegenteil messbar war. Die schulspezifischen subjektiven Beanspruchungen (soziale Beanspruchung der Schüler durch die Lehrer) erreichte in den Holzklassen signifikant geringere Werte, während sie in den Normalklassen im Laufe des Jahres anstiegen. Alle festgestellten Unterschiede traten langfristig anhaltend auf. Auch tageszeitlich hielten die positiven Effekte bis in die Abendstunden an.
Architektur mit Leib und Seele
Der Umbau bzw. die Erweiterung der Ordination war eine bauliche und zugleich logistische Herausforderung. Innerhalb von 4 Monaten, 3 davon bei laufendem Betrieb ist es gelungen, die Fläche von 70 auf 170m² zu erweitern. Lediglich in den letzten 4 Wochen wurde der Ordinationsbetrieb eingestellt, um die Verbindung zwischen Bestand und Aufstockung herzustellen.
Empfangen wird man als Patient heute von einem zweigeschossigen, lichtdurchfluteten Eingangs- und Wartebereich. Auf der breiten Sitzbank möchte man es sich bequem machen, wird aber sehr schnell von einer Assistentin abgeholt. Über die geschwungene Holztreppe vorbei an der rot gespachtelten Rückwand geht es hinauf zu den Ordinationsräumen. Sollte es doch länger dauern, verkürzt man sich die Wartezeit auf der großen Dachterrasse. Richtig gelesen. Keine stickigen engen Warteräume, sondern Vogelzwitschern und Sonne. Da werden die Patienten gar nicht mehr gehen wollen.
Der Weg zu den Ordinationsräumen ist als Bildergalerie der familieneigenen Künstlerin gestaltet, die man durch ein stilisiertes rotes Tor betritt. Und dann die große Überraschung. Man blickt auf eine grüne, sonnige Terrasse, der unvermeidliche Behandlungsstuhl verliert seine angstmachende Wirkung angesichts von viel Holz, Licht, guter Luft und freundlicher Atmosphäre und man vergisst, warum man eigentlich hier ist.
Unser Ziel war, die Architektur, ähnlich einem japanischen Teehaus Ruhe, Gelassenheit und Naturverbundenheit ausstrahlen zu lassen. Sämtliche Fenster und die Fassade bestehen aus lasiertem Holz. Große Dachüberstände sorgen für besten Witterungsschutz.
Dass die Aufstockung komplett in vorgefertigter Holzrahmenbauweise erfolgte, war keine Frage der Ökologie sondern der Schnelligkeit und Statik. Konsequent wurden dann allerdings auch alle Zwischenwände, Zwischendecken und Bodenaufbauten aus Holz gemacht. Als Dämmstoffe kamen Zellulose und Hanf zum Einsatz. Die verwendeten Wandfarben beruhen auf Sojaöl ohne synthetische Zusätze. Unter dem schwimmenden Estrich wurde eine Dämmschüttung aus Liapor verwendet.
Technik vom Feinsten
Da eine Ordination nur tagsüber betrieben wird, bietet sich die Nutzung kostenloser Sonnenenergie an. Insgesamt 56m² Fotovoltaikfläche mit einer Leistung von etwa 9,6kWp liefert etwa 10.000kWh Strom im Jahr. Der Eigennutzungsgrad, Maßstab für die Wirtschaftlichkeit wird nach den Prognosen bei 60-70% liegen. Natürlich sollte die solare Energieversorgung auch sichtbar sein. Daher wurden die Module im Traufenbereich des 10 Grad geneigten Satteldaches montiert und sind so auch von unten sichtbar.
Frischluft in der richtigen Menge
Wer kennt nicht diesen speziellen Geruch, der einem schon beim Betreten einer Ordination die Luft nimmt. Daher war von Beginn an klar, dass eine Komfortlüftung hier besonders sinnvoll ist. Die Räume bleiben sauber, es riecht nach Frische, die Konzentration und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter steigt und Feuchte wird abgeführt. Angenehmer geht es nicht.
Die vorhandene Gasheizung dient weiter zur Beheizung der Bestandsräume. Im Obergeschoss kommt eine hocheffiziente Luftwärmepumpe mit maximal 6,7kW Leistung zum Einsatz. Die Fußboden- und Deckenflächen bringen sanfte Wärme oder angenehme Kühle ohne Sick Building Syndrom in die Räume.
Natürliche Deckengestaltung
Wir haben uns für einen Lehmdünnputz mit einer feinen Kratzstruktur in den Ordinationsräumen entschieden. Die hellbraune Farbe beruhigt die Nerven, die mäandernde Struktur lenkt den Geist ab. Der Lehmputz ist ein natürliches Material, das zu gesünderer Luft beiträgt, frei von Lösemitteln und leicht zu verarbeiten ist. Aufgebracht wird das Material mit der Glättspachtel in dünnem zweimaligem Auftrag auf einer Grundierung.
Anregende Wandgestaltung
In einigen Bereichen kam eine rote Kalkspachtelung zum Einsatz. Rot wird dann eingesetzt, wenn Lebenskräfte geschwächt sind, es erhöht den Energiepegel und die seelische Kraft. Denn Rot regt alle Vorgänge im Körper an, stimuliert die Stoffwechselaktivitäten und hat eine belebende und positiv verstärkende Wirkung. Auf mentaler Ebene vermittelt die Energie der Farbe Rot einen starken Willen, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen.
Poliert entsteht eine seidig glänzende, marmorierte Oberfläche. Natürlich ist auch die Frage der Renovierbarkeit in einer Ordination von großer Bedeutung. Wie die ersten Beschädigungen zeigten, ermöglicht die Kalkspachtelung problemlos punktuelle Ausbesserungen. Und die Farbe verändert sich auch nicht. Man muss also bei Renovierungen nicht gleich die ganze Wand streichen Langfristig betrachtet also eine sehr ökonomische Lösung.
Licht ist Leben
Tageslicht und Kunstlicht wechseln sich ständig ab. Immer muss aber bei ästhetischen Fragen der Zahnmedizin die Lichtfarbe und das Lichtspektrum berücksichtigt werden. Die Steuerung des Tageslichtes erfolgt durch außen liegende Raffstores, die individuell angepasst werden können. Sorgen die großen Dachüberstände im Sommer für Sonnenschutz, müssen im Winter die Raffstoren gegen Blendung eingesetzt werden. Die künstliche Beleuchtung durch LED-Strahler bzw. Leuchtstoffröhren sorgt mit einer automatischen Tageslichtsteuerung für optimale Lichtverhältnisse und Energieeffizienz.
Architektur schafft Mehrwert
Ökonomisch ist eine solche Investition sicher langfristig zu sehen. Trotzdem war der regere Patientenzustrom sofort nach Eröffnung spürbar. Das Ziel, eine innovative Ordination zu schaffen, die architektonisch, energetisch, ökologisch und spirituell überzeugt, scheint gelungen. Der Kritzendorfer Zahnarzt, einer der innovativsten auf seinem Gebiet, konnte das Ziel, die bestmögliche medizinische Behandlung in einem idealen Arbeitsumfeld, mit seinem persönlichen Wunsch nach ökologisch nachhaltigem Leben verbinden.
Denn es darf nie vergessen werden:
„Zuerst schaffen die Menschen Räume, dann schaffen die Räume Menschen.“
Um das Erlebnis dieser Webseite für Sie so angenehm wie möglich zu machen, verwenden wir Cookies. Durch das Betätigen des OK-Buttons stimmen Sie der Verwendung zu.OKDatenschutzerklärung